Vom Grollen der Vulkane in den Metropolen: 1. Mai verlängert

Aufgrund von Sabotage im Betriebsablauf verzögert sich die Wiederaufnahme produktiver Geschäftigkeit. Wir bitten um Verständnis. Genießen Sie den verlängerten 1. Mai.“ (Dies könnte ein Lautsprecher heute auf einem Bahnsteig in Berlin verkündet haben.)

Könnt Ihr das hören? Es ist der Klang ihrer Welt, die zusammenbricht. Es ist die unsere, die wiederkehrt. Der Tag, der Tag war, wurde Nacht, und die Nacht wird der Tag sein, der Tag sein wird.”

Dies verkündeten am 21.12.2012 über 40.000 aufständische Indigene mit Schweigemärschen im Süden Mexikos. Mit ihrem Aufstand von 1994 gegen das damalige Freihandelsabkommen reklamierten die Aufständischen ein Lebensrecht und setzten dieses gegen die kapitalistische Dynamik, von der sie sich bedroht sahen und sehen.

Wir antworten aus dem Dschungel der Metropolen: „Wir haben Euch gehört!

Wir sehen selbst das Offenkundige: Eine Welt ausgeplündert, ausgedörrt. Flüchtlingsströme, Hungersnöte, Überschwemmungen, Dürren: die naturalisierten Folgen gesellschaftlicher Verhältnisse. Materielle und psychische Überlebenskämpfe, Konkurrenzkämpfe, Festung Europa, Kriege… Dafür aber Rettungsschirme für das Kapital, statt Banken abzuwickeln, statt Börsen still zu legen, statt endlich damit anzufangen, anders zu wirtschaften, anders zu leben.

Wir wollen den Betrieb hierzulande so ins Straucheln bringen, dass das die Menschen in Griechenland, in Spanien, in Portugal, Zypern.. und auch die indigenen Bevölkerungen dieser Erde, die für ein anderes Leben kämpfen, von hier aus unterstützt. Die sozial bewegte Situation im Süden Europas und auf anderen Kontinenten lässt sich von der gespannten Ruhe hier nicht trennen.

Dafür verlängern wir heute den ersten Mai, praktisch wie inhaltlich.

Wir haben an mehreren Orten im Süd-Westen Berlins, mit Wirkung in die „besseren“ Wohngegenden hinein, die Personenmobilität des Fern-, des Nah- des Güterverkehrs und der kaputtsanierten S-Bahn, sowie in Teilen die Telekommunikation stillgelegt, bzw. eingeschränkt. Dies mit einigen Auswirkungen für den morgendlichen Pendelverkehr, das Internet und die Mobiltelefonie. Für Menschen bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr.

Wir verlängern den ersten Mai, den klassischen Kampftag der Arbeiterklasse, und bringen die auf dem Funktionieren von technischen Netzen und Kreisläufen basierende zerstörerische Normalität des Arbeits- und Ausbeutungsalltages für eine kurze Zeit ins Stocken.

Das, was IWF und Weltbank Ende des 20. Jahrhunderts als „Strukturanpassungsmaßnahmen“ für verschuldete Staaten in der sogenannten Dritten Welt entwickelt haben, wird derzeit in Griechenland erstmals für ein ganzes europäisches Land eingeführt und blüht den Menschen in Europa insgesamt. Griechenland und Zypern sind zu europäischen Experimentierlabors dafür geworden, wie weit die Menschen in die Armut gezwungen werden können und wo die Grenzen derartiger Enteignungsprogramme aktuell liegen. Dieses Modell könnte zur Matrix für ganz Europa werden. Einen Namen haben sie auch schon dafür: Agenda 2020. Für uns ist die Grenze längst überschritten. Als ein lokales Beispiel sei die zweite Fahrpreiserhöhung dieses Jahr durch den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg und eine für die weitere Privatisierung und Zerschlagung sturmreif „sanierte“ S-Bahn genannt. Ein weiteres Beispiel liefert das Milliardengrab Flughafenneubau BER. Das einzige, was dort pünktlich fertig wurde, war der Abschiebeknast. Oder die explodierenden Preise für Mieten und Wohnraum. Oder Übersichtsaufnahmen auf Demonstrationen durch die Polizei.

Nicht erst die aktuelle Krise hinterläßt eine Spur der sozialen Verwüstung. Aber in der aktuellen Krise sehen wir eine neue Angriffswelle auf unsere Lebensperspektiven. Das Diktat der europäischen Wirtschaftseliten in Gestalt der Troika zwingt die politischen Eliten zunächst in Griechenland und Zypern, aber auch in Italien, Portugal, Spanien,… zu einem Sparkurs, der ausschließlich zu Lasten von Menschen geht, die die Verschuldung nicht zu verantworten haben und vom globalen Finanzmarktkapitalismus nicht profitieren. Es passiert vor unseren Augen und ohne Augenwischerei: Die Kürzungspolitik trifft die Armen und Ärmsten und das Kleinbürgertum. Nicht die Reichen. Nicht die Konzerne. Nicht die Banken. Nicht die Aufstandsbekämpfungseinheiten. Nicht das Militär.

Wir beobachten, wie die sich am ersten Mai straßennah gebenden deutschen Gewerkschaften internationalistisch orientierte Kämpfe links liegen lassen, wenn nicht blockieren. An einem europäischen Aktionstag im vergangenen Jahr, während anderswo Hunderttausende auf den Straßen waren, organisierten hierzulande einige gewerkschaftliche Linksabweichler ein paar Dutzend Leute ans Brandenburger Tor – immerhin, könnten wir zynisch sagen und es dabei belassen, wenn diese Episode nicht symptomatisch wäre: Denn mit ihrem Konzept der Sozialpartnerschaft dienen sich die Gewerkschaftsführungen in Deutschland dem nationalen Kapital an. Obwohl sie damit seit langem in der Krise gelandet sind, versuchen sie, auch die Gewerkschaft auf europäischer Ebene nach dem deutschen Mitbestimmungsmodell zu gestalten. Damit ordnen sie sich den systemischen Vorgaben des transnational taktierenden Kapitals unter. Die von ihnen vertretenen abhängig Beschäftigten bleiben flexibler Produktionsfaktor, sie werden nicht „systemrelevant“, und die Systemfrage bleibt auch trotz systemischer Krise tabu. Stattdessen zieht das Kapital mit seinen schmutzigen und teils tödlichen Produktionsstätten von einem Billiglohnland ins nächste oder importiert die Billiglohnarbeiterinnen in die Metropolenländer, je nach Bedarf. In dieser Situation fehlt den gewerkschaftlichen Kampagnen die angemessene Radikalität, sie hinken hinter den sozialen Notwendigkeiten hinterher – derzeit mit der Forderung nach Mindestlohn und der Einschränkung von Leiharbeit. Notwendig wäre stattdessen, dass aus gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Basisstrukturen heraus organisierte Menschen mit international koordinierten Generalstreiks die globalen Verwertungsketten sprengen und so die kapitalistische Produktionsweise als solche ins Zentrum ihrer praktischen Kritik stellen.

Uns deprimieren auch Demonstrationen, die nur laut verkünden: „Wir zahlen nicht für Eure Krise“, solange auch wir diejenigen bleiben, die büßen müssen für die Schulden der Wachstumswahnsinnigen. Blockupy 2012 in Frankfurt/M. z.B. hat den Polizeistaat offenbart, dessen Personal als Option und Drohung bereits in den Kasernen bereitsteht. Derartige Bürgerkriegsmanöver lassen wir uns nicht auch noch von „Bewegungsmanagern“ als Erfolg der Bewegung verkaufen.

Wir können auch anders, wenn Demonstrationen, wie z.B. in Berlin im vergangenen  Jahr am 1. Mai von der Polizei angegriffen und zerschlagen werden oder in einer toten, aufstandsgesicherten Regierungsmitte tot laufen wie dieses Jahr. Mit der Sabotage der Infrastruktur treffen wir genauso wie mit einer Demonstration, nur eben anders.

Wir stellen unseren Angriff zur Diskussion als Alternative oder Ergänzung zur Ritualisierung der Maifestspiele, die uns durch die Repression aufgezwungen wird und die der derzeitigen Macht vielleicht gar nicht mehr schadet.

Generalstreik – Pausenmodus – Sabotage als sozialer Streik – Streik als soziale Sabotage

Wir beziehen uns mit unserer Aktion auf die Kämpfe derjenigen, die sich jenseits von Staats-, Partei- und Gewerkschaftsautoritäten organisieren und halten die Perspektive eines grenzenlosen Generalstreiks für richtig.

Ein politischer Generalstreik wird in Deutschland absehbar nicht unter Beteiligung der Gewerkschaftsapparate und der Parteien zu machen sein. Ein Generalstreik kommt von unten, von außerhalb der Parlamente, gegen diese und ihre formaldemokratischen Spektakel: Wahlkämpfe und die damit verbundenen periodischen Führungspersonalwechsel. Wir arbeiten mit unseren Mitteln an der Blockade der Metropole: Damit diese Steuerungsfiliale der globalen Kapitalverwertung einmal nicht reibungslos funktioniert. „Pausenmodus“ nannten das andere, was uns sehr gefallen hat.

Wir agieren und formulieren ausdrücklich aus der Defensive, in der sich hiesige soziale Bewegung angesichts des neoliberalen Angriffes, den wir seit mehr als 30 Jahren durchmachen, nach wie vor befindet. Dennoch halten wir den Gedanken an die Machbarkeit eines internationalen und politischen Generalstreiks hoch, aber nicht als träumerische Illusion oder überhebliche Avantgarde-Inszenierung. Während sich Polizei und Militär schon seit langem auch hier in Deutschland auf Aufstände vorbereiten und gleichzeitig Waffen, Ausrüstung, Know How und Ausbildung nicht nur nach Athen zur Niederschlagung der dortigen Aufstände liefern, sehen wir unsere Aufgabe darin, mit unserer militanten Intervention für einen Generalstreik hier den Aufstand dort zu befördern.

Der Effekt unserer Aktion erinnert an einen Streik, indem er das Funktionieren von Verwertungs- und Funktionszusammenhängen stört. Die Gruppe „Das Grollen des Eyjafjallajökull“ brachte das auf die Formel „Sabotage als Streik“ und erklärte weiter: „Nichts erscheint unwahrscheinlicher als ein allgemeiner Streik, als die allgemeine soziale Sabotage, die das Kontinuum der unentwegten Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung unterbricht – und nichts ist notwendiger. (…) Die Netzwerkinfrastrukturen, die uns einbinden und das Funktionieren des zerstörerischen Alltags sind kaputtbar.

Wir machen uns mit unserer Aktion diesen strategischen Vorschlag und den Begriff des „Streiks als sozialer Sabotage“ zu eigen. Zwar fehlt unserer Aktion – und das bedauern wir – die soziale Dimension eines politischen Streiks: Die gesellschaftliche Mobilisierung von unten gegen Herrschaft und Ausbeutung und die damit verbundenen massenhaften kollektiven Widerstandserfahrungen und Erlebnisse gemeinsamer Stärke. Doch auch aus einer Position der Defensive heraus lassen sich offensive Aktionen bewerkstelligen, denen Effekte von Streik innewohnen. Wir unterbrechen mit unserer Aktion den Fluss der Mobilität und der Telekommunikation und damit den für Kapitalverwertung und Profitmaximierung notwendigen dynamischen Zustand, der die Menschen als Material mit Konsumenten- und Produzenteneigenschaften notwendigerweise eingewoben hält im beschissenen Gesamtzusammenhang. Die Sabotage der Warenflüsse, der Mobilität und der Datenflüsse behindert und unterbricht diesen a-sozialen Zusammenhang, wenn auch nur geringfügig, wenn auch nur punktuell, wenn auch nicht als breite soziale Massenbewegung. Die Sabotage als Streik gedacht, als Bruch mit den eingeübten Abläufen im Alltag, als Unterbrechung des täglichen Funktionierens im Netzwerk (früher im industriellen Zusammenhang: Räderwerk), bricht auch mit der Komplizenschaft durch Mit- oder Nichtstun.

Fanden Sabotage und Streik im vergangenen Jahrhundert innerhalb der Fabrikmauern statt, so hat sich der Arbeitsplatz heute in unser tagtägliches Leben hinein verlagert. Angesichts des Zwanges zur Selbstvermarktung führt kein Weg mehr an den globalen Netzwerkinfrastrukturen vorbei, die unsere Arbeitswerkzeuge geworden sind und über die auch wir selbst alles koordinieren und organisieren. Als Self-Manager oder Billiglohnkraft versklavt, im Verwertungsprozess lokal und global eingebunden, hilft uns eine solche Sabotage des Alltages, andere Lebensperspektiven, neue Räume, neue Sozialität jenseits informations- und kommunikationstechnisch basierter Herrschaft und Ausbeutung zu gründen.

Die Kritik, wir träfen mit unserer Aktion nicht die Richtigen, nehmen wir vorweg und sagen: Diese Kritik setzt bewusst oder unbewusst voraus, dass es eindeutig Richtige gäbe, die es zu treffen gälte. Gibt es aber nicht. Wir greifen die Infrastruktur an, um das Netz zu zerreißen, um die Dynamiken der Abläufe zu stoppen, die uns alle in dieses Macht- und Ausbeutungssystem einweben und zu Komplizen und Komplizinnen von Zerstörung und Mord machen. Unsere Ansatzpunkte dabei sind 1. die Sabotage von Funktionsabläufen und Infrastruktur an Stellen, wo keine Menschen in Gefahr kommen; 2. die Unterstützung politischer Streiks und der Aufbau von Aufstandsbewegungen, die sich untereinander unterstützen. Das ganze über Grenzen hinweg: Auch wir sind losgegangen und suchen nach angemessenen Formen von Widerstand und Solidarität, international und lokal. Deshalb erklären wir auch unsere Solidarität mit dem seit 520 Jahren andauernden Aufstand der Menschen gegen Kolonialisierung und deren Folgen. Deshalb unterstützen wir auch die Forderungen nach einem sofortigen Stopp des Krieges „niederer Intensität“ der Regierung Mexikos gegen alle zapatistischen Gemeinden!

Aus dem Dschungel der Metropolen antworten wir:

Wir können das hören. Es ist der Klang ihrer Welt, die zusammenbricht. Wir vertrauen darauf, das es auch die unsere ist, die wiederkehrt.”

Vulkan Grimsvötn. Würde Freiheit Gerechtigkeit.

Quelle: https://linksunten.indymedia.org/de/node/85080

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